Autohandel ist zu wenig digital

Der inländische Automarkt entwickelt sich positiv. Trotz des Dieselskandals sind 2017 in Deutschland die Pkw-Verkäufe auf dem höchsten Stand seit acht Jahren. Die Neuzulassungen sind im ersten Halbjahr um über 4,2 Prozent gestiegen. Doch für die Automobilhändler sind die Aussichten nicht so rosig. Der Markt ist hart umkämpft. Der Wettbewerb um Kunden bekommt durch die Digitalisierung eine neue Dimension. Die Branche hat Angst vor dem großen Händlersterben. Die digitale Konkurrenz für den klassischen Autohandel wächst kontinuierlich. Experten sind sich einig, dass Händler, die ihr Geschäftsmodell nicht radikal verändern und die neuen Möglichkeiten des digitalen Marketings für ihr Unternehmen nutzen, vom Markt verschwinden werden.

Wie in allen Branchen nutzen Kunden das Internet beim Autokauf als wichtigstes Informationsinstrument. Sie gehen immer seltener zum Händler. 42 Prozent aller Kunden denken bereits darüber nach, ihr nächstes Auto im Internet zu kaufen. Die Händler laufen Gefahr, ihre Funktion als zentrale Anlaufstelle zu verlieren. In den vergangenen Jahren wurden immer noch 90 Prozent des Absatzvolumens über den vertragsgebundenen Autohandel abgewickelt. Experten rechnen damit, dass der digitale Autohandel künftig einen deutlich höheren Anteil am Geschäft haben wird. Im Gebrauchtwagensegment spielt das Internet schon heute die zentrale Rolle. Die Mehrheit der Gebrauchtwageninteressenten informiert sich bei Gebrauchtwagenbörsen und kauft immer öfters dort.

Autohäuser sind mit Thema Digitalisierung überfordert

Die meisten Autohäuser haben den Einstieg ins digitale Geschäft verschlafen. Nicht nur die kleinen Autohäuser sind mit den Themen der Digitalisierung überfordert. Bei einem Drittel der Händler ist es beispielsweise nicht möglich, einen Werkstatt-Termin online zu buchen, ganz zu schweigen von einer Probefahrt.

Im Gegensatz zum Handel haben die Hersteller erkannt, wie wichtig der digitale Vertrieb ist. Sie fordern ihre Partner deshalb auf, Online-Shops für das Neuwagengeschäft zu betreiben. Sie drohen damit, ihre Produkte ansonsten direkt zu vertreiben, wie es beispielsweise Tesla vormacht. Auch im Vertrieb und Marketing gibt es erheblichen Verbesserungsbedarf. Das Zusammenspiel zwischen Hersteller und Händler ist nicht optimal. Es gibt zu viele Brüche im Inspirations-, Informations- und Kaufprozess. Der Übergang bzw. der Transfer von der Hersteller-Marke zur Händler-Marke funktioniert nicht gut. Vieles, was die Hersteller für die Marke machen, kommt im Handel nicht an oder wird sogar wieder vom lokalen Partner zunichte gemacht. Ziel muss es sein, enger zusammenzuarbeiten und die Kundenwünsche entlang der Customer Journey besser zu erfüllen. Dies erfordert neben der Bereitschaft, Entscheidungskompetenzen abzugeben, auch die Investition in neue digitale Techniken, z.B. auf CRM-Systeme, auf die alle Seiten Zugriff haben.

Hersteller haben verstanden

Die Hersteller haben ihre Hausaufgaben weitestgehend gemacht. Sie investieren viel, um ihr Markenprofil zu stärken und um Image und Bekanntheitsgrad in der jeweiligen Zielgruppe aufzubauen. Nach wie vor setzen Hersteller große Budgets für Werbung und Sponsoring ein. Sie haben erkannt, wie wichtig Social Media ist. Alle Marken beschäftigen sich mit diesen Zukunftsthemen mit zum Teil beachtlichen Erfolg. Mercedes ist Spitzenreiter in den sozialen Medien. Die Marke hat allein 2017
11 Millionen Fans auf den fünf wichtigsten Kanälen dazu gewonnen und die meisten Interaktion mit ihnen gehabt. Das Stuttgarter Unternehmen liegt deutlich vor BMW und Audi. Auch andere Marken gehen neue Wege in der Kommunikation. Fast alle Marken nutzen Influencer, um die junge Zielgruppe zu erreichen. Alfa Romeo arbeitet beispielsweise mit Bloggerinnen aus dem Modebereich zusammen und Kia mit sechs Influencern, die insgesamt eine Reichweite von über zwei Millionen Abonnenten haben. Eine von ihnen ist Model Sofia Tsakiridou. Auf einem Instagram Posting sitzt sie auf der Motorhaube des neuen Kia Rio und streicht sich lächelnd durchs Haar. Darunter steht „Ich liebe diesen schönen Flitzer“.

Mit dieser Art der Werbung tun sich die lokalen Autohäuser noch schwer. Sie nutzen zu wenig die Vorteile der digitalen Welt. Die Webseiten entsprechen nicht den hohen Ansprüchen der Klientel. Sie sind wenig emotional und sind meist von technischen Informationen überfrachtet.

Händler spielen beim Kauf eine wichtige Rolle

Das ist schlecht, denn aktuelle Studien belegen, dass nach wie vor der Händler vor Ort beim Autokauf eine wichtige Rolle spielt und er die Kaufentscheidung wesentlich beeinflusst. Autos kauft man nicht jeden Tag. Die Käufer sind folglich unsicher und suchen deshalb Rat bei einer Vertrauensperson. Hier liegt die Chance des lokalen Autohauses. Laut der Studie von Autoscout24 und der Marktforschung Puls wissen drei Monate vor dem Autokauf erst 40 Prozent der Konsumenten, welche Marke und welches Modell sie wollen. Deshalb ist es wichtig, regional zu werben und die Kaufentscheidung zu beeinflussen. Hier kommt dem Internet und den sozialen Medien eine immer größere Bedeutung zu. Nur wenige Unternehmen schöpfen die Möglichkeiten der Suchmaschinen-Optimierung und des Suchmaschinen-Marketing vollends aus. Die wenigstens schalten zielgerichtet Werbung bei facebook und instagram oder setzen lokale Influencer ein. Es wäre gut, wenn lokale Autohändler mit Influencer oder Sportstars der Region zusammenarbeiten würden und die „Stars“ sich mit entsprechenden Autos auf ihren Kanälen präsentieren. Diese Art der Kommunikation ist glaubhaft und wirkungsvoller als die klassische Werbung.

Kundendaten werden zu wenig genutzt

Zu wenig Autohändler nutzen auch die Daten und Informationen über ihre Kunden für das Marketing. In der Regel werden die Adressen nur eingesetzt, um Kunden zu Neuwagenpräsentation einzuladen. Mithilfe von E-Mail-Marketing könnten Kunden dauerhaft an das Unternehmen gebunden werden und Zusatzgeschäfte gemacht werden. Die digitale Technik ermöglicht es, personalisierte Newsletter zu versenden. Die Inhalte sind individuell und entsprechen den jeweiligen Bedürfnissen des Empfängers. Eine junge Frau, die einen Kleinwagen fährt und sich für Nachhaltigkeitsthemen interessiert, bekommt einen anderen Newsletter als ein Fahrer einer großen Limousine, der Autosportfan ist. Durch die Analyse des Leseverhaltens der Empfänger ist es möglich, sich immer ein genaueres Bild vom Kunden zu machen. Je nach Interesse und Vorliebe bekommt der Kunde auch im Internet oder in Social Media eine passende Anzeige gezeigt. Die junge Kundin zum Beispiel ein Anzeigemotiv mit einem Elektroauto und der Motorsportfan ein Anzeigenmotiv mit einem 500 PS starken Sportwagen. Durch die Nutzung der Vorteile von Künstlicher Intelligenz können Kunden langfristig ans Unternehmen gebunden werden und auch Mehrumsatz durch Cross-Selling bzw. Zusatzverkäufe erzielt werden.

Gerade durch die Nutzung der digitalen Marketing-Kanäle wird es möglich, junge Menschen wieder für das Auto zu begeistern. Denn es zeigt sich, dass bei ihnen das Auto als Statussymbol an Bedeutung verloren hat. Immer weniger machen mit 18 Jahren der Führerschein und wollen ein Auto besitzen. Wichtig ist es, das Auto wieder zum „Must-have„ Produkt zu machen.

Insgesamt zeigt sich, dass Unternehmen, die die Digitalisierung als Chance nutzen und ihr Geschäftsmodell darauf ausrichten, gute Zukunftsperspektiven haben. Durch modernes digitales Marketing können Kunden effizienter und effektiver angesprochen werden als in der Vergangenheit.

 

2018-10-19T11:46:36+00:00 09.2018|