Die Welt wird digital. Alle Produkte sind sofort abrufbar und online käuflich. Informationen lassen sich in Sekundenschnelle austauschen. Benutzer erhalten Bewertungen von anderen Käufern, die nützlicher sind als Ratschläge eines Verkäufers. Es stellt sich zurecht die Frage, ob man im digitalen Zeitalter noch Messen benötigt, bei denen Einkäufer auf die Stände kommen, um sich zu informieren. Denn längst gibt es Plattformen, wie nuucon, auf denen Möbelhändler ihre Möbel einkaufen können.
Betrachtet man die Zahlen, dann wird deutlich, dass Messen auch in der heutigen Zeit gefragt sind. Laut dem Dachverband AUMA steigerten die deutschen Messen im letzten Jahr die Ausstellerzahlen und Standflächen. In den letzten Jahren haben sich zu dem viele neue erfolgreiche Formate entwickelt, die teilweise von regionalen oder Nischen-Anbietern veranstaltet werden, die für steigende Besucherzahlen sorgen.
Deutsche Messen auf Erfolgskurs
Aber auch vielen der großen inländischen Messegesellschaften geht es gut. Die Frankfurter Messe steigerte die Umsätze 2017 um 7 Prozent und erzielte ein Rekordergebnis von 41 Millionen. Auch der Kölnmesse ist wieder auf Erfolgskurs, schreibt schwarze Zahlen und investiert kräftig in die Zukunft. Gewiss wird ein Großteil des Wachstums im Ausland erzielt. Dennoch gibt es viele inländische Messen, die sich sehr positiv entwickeln. Die Orgatec z.B. steigerte ihre Besucherzahlen um 15 Prozent.
Dennoch sind Messeveranstalter zum Handeln gefordert. Sie müssen ihr Angebot genau auf die geänderten Bedürfnisse der Aussteller und Besucher ausrichten. Dies erfordert eine große Markt- und Kundennähe sowie flexible Organisationsstrukturen. Wer zu lange an bestehenden Formaten festhält, wird verlieren. Die CEBIT hat zulange zugeschaut, wie immer mehr Aussteller zu anderen Messen abgewandert sind. Angesichts der drastisch rückläufigen Besucherzahlen hat die Deutsche Messe in Hannover die Messe für 2019 abgesagt. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Autos auf einer Automesse oder Smartphones auf einer Computermesse gezeigt werden. Ford hat beispielsweise die Weltpremiere des Pick-ups Ranger Raptor auf der gamescom gefeiert.
Auch im digitalen Zeitalter ist das Gemeinschaftsgefühl wichtig
Dass Messen im digitalen Zeitalter gefragt sind, hat die Kölner Digitalmesse DMEXCO eindrucksvoll bewiesen. Im September kamen so viele Besucher wie nie zuvor, um die neuesten Trends auszutauschen. Auch Unternehmen, wie facebook, instagram und Google, suchten die Old-Economy-Plattform, um für sich zu werben. An hippen Ständen wurde bei einem kostenlosen Kölsch Gemeinschaftsgefühl, Kommunikation und reales Erlebnis geschaffen.
Die Möbelbranche steht vor großen Herausforderungen. Auch wenn der Möbelhandel immer digitaler wird und Informations- und Kaufprozesse im Internet erfolgen, benötigt die Branche Messen. Vor allem die Fachbesucher aus dem In- und Ausland suchen Informationen, Kommunikation und Erlebnis immer noch am liebsten in der realen Welt. Doch die Branche tut sich seit Jahren mit ihrer Messepolitik schwer. In den letzten Jahren wurde viel und sehr kontrovers über Messeformate, Termine und Orte diskutiert, mit dem Ergebnis, dass die deutsche Küchen- und Möbelbranche geschwächt wurde. Hauptsächlich haben Veranstalter im Ausland davon profitiert.
Für den deutschen Möbelhändler bzw. den Einkäufer hat sich die Situation durch die Aufsplitterung der Angebotsschau verschlechtert. Er müsste heute theoretisch zu drei bis fünf Messen fahren, um seine benötigten Informationen zu bekommen. Die Praxis zeigt jedoch, dass dies die Händler nicht machen. Nur wenige Küchenfachhändler fahren nach Italien, um Küchentrends zu erleben und danach nach Berlin, um neue Backöfen zu begutachten.
Besucher suchen Service und Komfort
Eine aktuelle Befragung von 13.000 Messebesuchern im Auftrag des Verbands UFI zeigt, dass Messebesucher gerade im digitalen Zeitalter nach Service und Komfort suchen, wie Parkmöglichkeiten und Sitzgelegenheiten und alle Informationen an einem Ort bekommen möchten. Der Möbelhändler möchte Neuheiten sehen, gleichzeitig über Wohn- und Designtrends informiert werden, aber auch die Chance haben, sich über E-Commerce oder neue Apps für die Möbelbranche zu informieren. Veranstalter, die in der Lage sind, möglichst viele relevante Informationen zu liefern und Antworten auf die spezifischen Fragen zu finden, werden Gewinner sein.
Viele Messen haben darauf reagiert. Die Kölner Möbelmesse imm cologne/LivingKitchen hat sich in den letzten Jahren komplett verändert. Es geht längst nicht mehr nur um die Produktschau und den Einkauf. Die Messe bietet Informationen an, die auf Off- und Online-Händler, Designer, Architekten, Projektentwickler, Online-Marketing-Experten und Hersteller gleichermaßen zugeschnitten sind. Auf der Messe werden Innovationen vorgestellt, Design- und Digital-Trends diskutiert, Kontakte geknüpft und Beziehungen gepflegt. Der Besucher hat die Möglichkeit, in kürzester Zeit an einem Ort, seine Wünsche und sein Informationsinteresse zu befriedigen.
Möbelmesse so vielseitig und international wie noch nie
Das Programm und die Ausstellerstruktur der Kölner Einrichtungsmesse sprechen Bände und sind vielseitig und international wie noch nie. In Konferenzsälen sowie auf den Bühnen und Eventflächen wird mit internationalen Experten über E-Commerce, Design, Smart-Home, Wohnen und Küche der Zukunft oder Ernährungstrends diskutiert. Neue Apps werden vorgestellt, Design-Preise verliehen und Bildungseinrichtungen präsentieren ihr Angebot. Waren es früher die Hersteller, aus Franken, Baden-Württemberg oder Ostwestfalen, auf die man gespannt schaute, so sind es heute auch die Start-Up Unternehmen und Online-Händler aus Berlin oder Hamburg, die einen Messebesuch besonders lohnend machen. Beispielsweise präsentiert Online-Handel-Primus Otto auf seinem Stand neue Online-Tools aus dem Bereich Virtual Reality oder der Bildsuche und das Hamburger Start-up Unternehmen kitchenadvisor sucht neue Küchenhandelsunternehmen als Partner.
Die deutsche Möbelbranche profitiert von dieser Neuausrichtung. Eine attraktive und gutbesuchte Messe ist das beste Argument, um auch künftig ausländische Besucher und Aussteller nach Deutschland zu holen. Für die Marke „Made in Germany“, von der insbesondere der Export seit Jahren profitiert, ist eine qualitativ hochwertige Messe die beste Werbung.
Die Branche muss Schulterschluss zeigen
Experten und Branchenverbände, wie z.B. VDM, BVDM, AMK sind sich einig, dass nur eine starke inländische Leitmesse Garant dafür ist, dass deutsche und europäische Aussteller auch künftig in der ersten Liga mitspielen können. Schon heute zeichnet es sich ab, dass es für die europäischen Messeveranstalter schwer wird, sich dauerhaft zu behaupten. Derzeit entsteht im chinesischen Shenzhen das größte Messezentrum der Welt. Im letzten Jahr hat ein chinesischer Veranstalter erstmals eine Mehrheitsbeteiligung an einer ausländischen Fachmesse erworben. Auch wenn China immer eine Reise wert und ein sehr wichtiges Exportland ist, sollte die Möbelbranche nicht vergessen, welche Vorzüge eine Messeteilnahme in Köln den inländischen Ausstellern und Besuchern bietet. Deshalb ist es wichtig, dass die Branche jetzt Schulterschluss zeigt und der Kölner Messeveranstalter ihre Strategie und Kommunikationsoffensive weiter so konsequent fortsetzt.