Digitale Strategien für Museen

 Museen bewahren, zeigen und interpretieren das materielle Erbe der Menschheit und sind die Errungenschaften der europäischen Aufklärung. Sie erhalten damit nicht nur Sammlungen und Wissen, sondern vermitteln als offene Orte der Kommunikation auch Grundwerte wie Demokratie, Bürgerrechte und Toleranz. Museen haben in Deutschland einen hohen Stellenwert. Jahr für Jahr nimmt die Zahl der Museen und deren Besucherzahlen zu. Museen stehen jedoch vor großen Herausforderungen. Insbesondere die Digitalisierung verändert auch die Museumswelt, stellt Bewährtes in Frage und eröffnet viele neue Möglichkeiten. Das haben viele Museen erkannt. Das Thema „Digitalisierung“ oder „Museum 4.0“ steht bei vielen deshalb auf der Agenda ganz oben. Museumsdirektoren und Museumsverbände entwickeln digitale Masterpläne und initiieren viele Projekte. Die große Bedeutung des Themas wurde von vielen erkannt. War noch vor 10 Jahren vor allem die Homepage der digitale Schauplatz der Museen, setzt sich allmählich das Bewusstsein für ganzheitliche digitale Strategien in vielen Häusern durch. Es werden zunehmend Strukturen geschaffen, die dafür sorgen sollen, dass unterschiedliche digitale Kanäle, Inhalte und Erzeugnisse nicht als Inseln nebeneinander existieren, sondern strategisch aufeinander abgestimmt sind. Auf diese Weise entsteht ein Mehrwert, denn durch die Digitalisierung werden bestehende Angebote inhaltlich ausgebaut und neue Zugänge innerhalb der Vermittlungs-, Sammlungs- und Ausstellungsaktivitäten geschaffen. Der Nutzerkreis wird so erweitert, denn digitale Datenbanken richten sich nicht mehr nur ans Museumspublikum, sondern oftmals an eine breitere, neugierige Öffentlichkeit. Wenn man den Blick auf die internationale Museumslandschaft richtet, sieht man, dass die Chancen des digitalen Wandels erkannt wurden. Die Digitalisierung bereichert nahezu alle Bereiche eines Museums. Insbesondere im Erhalt und der Dokumentation sowie in der Vermittlung. Zuletzt auch in der Ansprache der Besucher.

Digitalisierung der Bestände

Eine der wichtigsten Aufgaben von Museen ist es, ihre Bestände zu digitalisieren, damit sie besser genutzt und verwaltet werden können und der Nachwelt erhalten bleiben. Die Digitalisierung der Bestände betrifft sowohl Bilder als auch dreidimensionale Objekte. Die Praxis zeigt, dass dies keine leichte Aufgabe ist. Das Vorhaben erfordert viel Knowhow, viel Zeit und hohe finanzielle Mittel. Allein in Frankfurt sollen im Historischen Museum 600 000 Objekte, im Architekturmuseum rund 300 000, im Archäologischen Museum rund 345 000 Objekte digitalisiert werden. Hinzu kommen rund 30 Regalkilometer Akten, die im Institut für Stadtgeschichte, dem Archiv der Stadt, für die Nachwelt aufbewahrt werden. Das Frankfurter Kulturdezernat rechnet damit, dass die Digitalisierung mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird.

Die Digitalisierung des Inventars hat den Vorteil, dass Produkte und Werke auch online abzurufen sind. Es werden dadurch Werke und Objekte der Öffentlichkeit und auch Kuratoren anderer Museen zugänglich gemacht, die sich bisher in verschlossenen Archiven befinden. Durch die Digitalisierung der Werke ist der Besuch im Museum nicht mehr unbedingt erforderlich. Erfahrungen verschiedener Häuser zeigen jedoch, dass durch die Onlinestellung von digitalen Sammlungen, der Museumsbesuch nicht obsolet wird. Ist die Onlinepräsenz gut aufbereitet, kommen sogar mehr Besucher ins Haus. Das Frankfurter Städel Museum ist führend auf diesem Gebiet und hat als eines der ersten Museen seine Werke digitalisiert und über den online-Kanal der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Mehr Sinne der Besucher ansprechen

Viele Chancen entstehen neben der Digitalisierung auch in der Vermittlung. Durch den Einsatz neuer Techniken erlebt der Museumsbesuch eine ganz neue Dimension. Besucher können das Museum mit mehr Sinnen erfahren. Sie erhalten gezielte Informationen zu den ausgestellten Objekten, werden aktiv auf bestimmte Besonderheiten aufmerksam gemacht und erhalten Hintergrundinformationen.

Der Audio-Guide hat sich kontinuierlich weiterentwickelt. Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg hat eine interaktive Museums-Tour entwickelt. Die Tour „Im Sog der Zeit“ führt die Besucher durch zehn Räume. Durch die moderne iBeacon-Technologie erkennt die App den Standort des Besuchers automatisch und lässt ihn so direkt in den passenden Raumklang eintauchen. Der Besucher wird Zeit- und Ohrenzeugen längst vergangener Lebenswelten und trifft auf visionäre Architekten, feierfreudige Bauern oder einen wahren Design-Papst.

Viele Museen setzen auch Virtual Reality zur Vermittlung ein. Mittels Augmented Reality werden Objekte und andere Orte beispielsweise im Basler Museum für Geschichte oder in der Stadt Basel virtuell sichtbar. Im Deutschen Museum in München können Besucher im VRlab ausgewählte Objekte des Deutschen Museums in der virtuellen Realität erkunden. Mit Hilfe von speziellen Virtual Reality Brillen und Controllern können Besucher sich über weite Entfernungen „beamen“ oder direkt mit den Objekten interagieren. So ist es möglich, selbst auf dem Fahrsimulator mit dem Lunar Roving Vehicle über die Mondoberfläche zu fahren. Immer mehr Apps werden von Museen entwickelt und eingesetzt. Sie machen Besucher neugierig auf das Museum und eröffnen zudem für Museen die Möglichkeit, ihre Zielgruppen auch außerhalb der eigenen Institution zu erreichen.

Gaming im Museum

Auch immer mehr Museen nutzen Gaming, um neue Zielgruppen anzusprechen. Museen entwickeln Spiele-Apps, deren Ziel es ist, spielerisch den Besuchern die Inhalte zu vermitteln. Das Frankfurter Städel Museum hat zusammen mit einem Videospieleentwickler für Kinder ein Point-and-Click-Adventure Game entwickelt: Imagoras – Die Rückkehr der Bilder: Entdecke die fantastische Welt der Kunstwerke im Städel Museum!

Das Museum of London hat bereits zwölf Spiele entwickelt, „Fans“ langfristig ans Museum binden. Erfahrungen zeigen, dass sich Besucher auch in Museen einbringen wollen. Sie wollen kommentieren und in einen aktiven Dialog treten. Und manchmal wollen sie auch Inhalte generieren. Museen reagieren zunehmend auf diese Trends: Es gibt Besuchervotings für Exponate und Co-Kuratorenschaft bei der Erarbeitung von Ausstellungen.

Digitalisierung ist Chefsache

Abschließend zeigt sich, dass die digitale Transformation, die so gut wie alle Kernaktivitäten der Museen betrifft, ein vielschichtiger Prozess ist. Um die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und sich nachhaltig zu positionieren, benötigen Museen eine digitale Strategie. Kern aller Aktivitäten im Digitalen ist die Haltung der gesamten Einrichtung, die sich sowohl nach innen als auch nach außen richtet: Nur durch Offenheit und dem Credo der Kollaboration können neue Wertschöpfungsprozesse geschaffen werden. Denn eines steht fest: eine digitale Strategie wird nicht von einer Person allein entwickelt. Es ist vielmehr entscheidend, dass alle Bereiche und Abteilungen eines Museums in die Erarbeitung integriert sind. Die Leitung des Hauses sollte die Entwicklung und Umsetzung der digitalen Strategie zur Chefsache erklären und die große Bedeutung nach innen und außen kommunizieren. Museen, die diesen Wandel rechtzeitig erkennen und ihm offen begegnen, können sich Wettbewerbsvorteile sichern und ihre Aufgabe für die Gesellschaft exzellent erfüllen.

 

2019-02-17T10:55:39+00:00 02.2019|